Eine Studie in Blutkrustenschwarz

The Wtch

Die älteren unserer Leser mögen sich erinnern: Vor zwei Jahren hatten wir zur Walpurgisnacht eine ausführliche Reihe über Hexencomics im Programm. Ein unlängst herbeigezauberter Comic lässt uns nun keine andere Wahl, als der Reihe zum diesjährigen Hexensabbat eine späte Fortsetzung angedeihen zu lassen: THE WTCH von Christian Krank ist finster, grausig und auf den Punkt erzählt.

Wir leben in Zeiten des epischen Erzählens: Filme dauern grundsätzlich drei Stunden, Bücher verkaufen sich nur, wenn sie mindestens 400 Seiten stark und am besten auch noch Teil einer Reihe sind, und in Fernsehserien werden überschaubare Plots auf sechs bis vierzehn Staffeln ausgewalzt. Und auch bei den Comics, die der Buchhandel heute in seinen Regalen präsentiert, zeigt sich ein gewisser Trend zur Adipositas – was möglicherweise auch, aber sicher nicht nur damit zu tun hat, dass jeder Quadratzentimeter Buchrücken wertvolle Werbefläche darstellt.

Umso schöner, wenn hin und wieder jemand zeigt, dass man auch auf der kurzen Strecke gute Geschichten erzählen und interessante Charaktere entwickeln kann. Christian Krank genügen schlanke 22 Seiten im Heftformat, um seine Leser mit THE WTCH in ein spannendes Setting zu entführen. Der Comic basiert auf einer bereits 2012 erschienenen Kurzgeschichte von Christian Endres, variiert diese aber in ein paar entscheidenden Punkten. War das Original noch klar als Hellblazer-Hommage zu erkennen, wechselt die Hauptfigur für die Comicadaption nicht nur das Geschlecht, sondern auch den Style: Statt eines desillusionierten Magiers begleiten wir eine junge Hexe durch die Nacht, und der ikonische Trenchcoat muss einer großzügig mit Bandpatches verzierten Jeanskutte weichen. Passenderweise treffen wir die namenlose Hauptfigur zuerst am Rande eines Metal-Konzerts, wo sie macht, was man als Hexe halt so macht – Bier trinken, magische Pilze verticken und übergriffigen Idioten zeigen, was ein Schmerzzauber ist.

Diese in wenigen Panels präsentierten Schlaglichter genügen Christian Krank, um uns die Protagonistin nahezubringen und den Ton für die folgende Geschichte vorzugeben – die einerseits klassische Exorzismusmotive bedient, andererseits aber das erwartbare Schema raffiniert unterläuft. Lustig ist das alles nicht, und die kratzigen, in düsteren Farben gehaltenen Zeichnungen lassen daran auch keinen Zweifel aufkommen. Und trotz der vorgenommenen Änderungen scheinen gewisse Hellblazer-Anklänge dann doch noch durch: Wie in den besten der Geschichten um John Constantine wird das Übersinnlich-Dämonische auch hier geerdet, indem es als verzerrtes Spiegelbild sehr weltlichen Elends und sozialer Missstände gelesen werden kann.

Gerne würde man noch mehr über die WTCH erfahren und für ein paar weitere Geschichten mit ihr durch die Gassen streifen. Sollte es je eine Fortsetzung geben, werden wir auf diese aber wohl eine ganze Weile warten müssen: am vorliegenden Heft hat Christian Krank eigenen Angaben zufolge sechs Jahre gearbeitet – was natürlich damit zusammenhängt, dass für ihn wie für viele deutsche Künstlerinnen und Künstler das Comiczeichnen gewissermaßen der Nebenjob vom Nebenjob ist. Aber wer weiß, vielleicht haben wir ja Glück und es geht doch schneller – wenn er bei den Recherchen zu seinem nächsten Comic einen Zauber entdeckt, mit dem er den Ablauf der Zeit beeinflussen und dem üblichen 24-Stunden-Tag noch ein paar Minuten Zeichenzeit abringen kann!

The Wtch – Es ist Deine Beerdigung
Christian Krank, Christian Endres / Yellow King Productions
Heft, 28 Seiten, 10 €

Alle Abbildungen © Christian Krank / Yellow King Productions

Ein paar wenige Exemplare des limitierten Hefts sind noch verfügbar und können über den Verlag oder direkt vom Künstler bezogen werden.

Alle Folgen unserer Reihe über Hexencomics sind nach wie vor abrufbar; eine Übersicht gibt es hier.