Wesen von einem anderen Stern

Wie man auf Partys Mädels anspricht

Wesen von einem anderen Stern
Wie man auf Partys Mädels anspricht
30. Dezember 2022

Punktgenau zur Silvesterparty erscheint im Dantes-Verlag ein Band, dessen Titel ganz praktische Lebenshilfe für schüchterne Comicnerds erwarten lässt: WIE MAN AUF PARTYS MÄDELS ANSPRICHT. Ob der Comic wirklich dazu taugt, introvertierte Bücherwürmer in enthemmte Party Animals zu verwandeln, darf eher bezweifelt werden. Lesenswert ist er aber allemal; immerhin bekommt man eine romantisch flirrende, surreale Geschichte geboten, mit viel Siebziger-Jahre-Flair und ein paar ziemlich seltsamen Mädchen.

Eher widerwillig lässt sich der fünfzehnjährige Enn von seinem Freund Vic auf eine Party im Londoner Süden mitschleppen. Weil ihm ja eh schon klar ist, wie das Ganze ablaufen wird: der Mädchenschwarm Vic wird sich ziemlich schnell mit irgendeiner neuen Bekanntschaft in eine dunkle Ecke verziehen, während er selbst dann in der Küche herumsteht und nicht so recht weiß, wohin mit sich.

Genauso kommt es dann auch – und irgendwie doch ganz anders, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass die beiden auf der falschen Party landen. Aber was soll’s; Alkohol und laute (wenn auch etwas merkwürdige) Musik gibt es auch hier, und vor allem ein ganzes Haus voller außerordentlich reizvoller, exotisch wirkender Mädchen.

Schließlich nimmt Enn seinen ganzen Mut zusammen und befolgt Vics waghalsigen Vorschlag („Rede mit ihnen!“) – aber die Gespräche, die sich daraus ergeben, laufen noch seltsamer ab, als er das von seinen bisherigen, spärlichen Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht gewohnt ist. Viel seltsamer sogar. Und das ist erst der Anfang einer denkwürdigen Nacht.

 

Die Zwillingsbrüder Gabriel Bá und Fábio Moon haben Neil Gaimans bereits 2006 erschiene Kurzgeschichte „How to talk to girls at parties“ in eine Comic-Miniatur verwandelt, die bei jedem, der selber schon mal fünfzehn war (und vielleicht sogar auf einer Party), eine Saite zum Klingen bringe dürfte. Gaimans Text spielt äußerst wirkungsvoll mit den Erinnerungen daran, wie elektrisierend sich die Mischung aus Neugier, Faszination und Unsicherheit anfühlt, mit der man sich als Teenager in die Welt hineintastet, und bringt wunderbar naheliegend auf den Punkt, wie Jungen und Mädchen in diesem Alter einander wahrnehmen: als Wesen von einem anderen Planeten. Die luftig aquarellierten Bilder von Bá und Moon fügen dem eine Ebene des Traumhaften, des aus zeitlicher Distanz Erinnerten hinzu.

Dass man bei Publikationen aus dem Dantes-Verlag als Leser reichhaltige Anmerkungen mit auf den Weg bekommt, ist man inzwischen ja schon fast gewohnt. Auch in diesem Band erschließt Jens R. Nielsen den Leserinnen und Lesern nicht nur kenntnisreich die popkulturellen und zeitgeschichtlichen Bezüge der Story; er gibt auch Einblicke in die Gedankenwelt von Neil Gaiman und schafft damit Anknüpfungspunkte für eine Interpretation der Geschichte.

 

Derart grundiert, kann man sich dann auch dem etwas esoterischen Überbau der Erzählung widmen. Dass der vielleicht nicht ganz so gehaltvoll ist, wie er auf den ersten Blick erscheint, ist nicht ganz untypisch für Gaimans Werk. Es ist aber auch verschmerzbar: nicht jedes anregende Gespräch, das man in aufgekratztem Zustand auf einer Party geführt hat, ist rückblickend noch genauso tiefgründig. Die Intensität und Wahrhaftigkeit des Erlebten – oder in diesem Fall des Gelesenen – schmälert das in keinster Weise.

Wie man auf Partys Mädels anspricht
Fábio Moon und Gabriel Bá nach einer Kurzgeschichte von Neil Gaiman
Überetzung: Jens R. Nielsen
Hardcover, 86 Seiten, €18,00

Alle Abbildungen © Dantes Verlag